Freitag, 8. März 2013

Etwas mehr als ein halbes Jahr Coppelius

Wer mich kennt weiß, dass ich nicht wirklich viel mit Musik zu tun habe. Ja, ich höre sie, ich höre Radio während des Auto fahrens und ab und an beschäftigt mich das eine oder andere Lied. Doch irgendwie war Musik für mich immer mehr Handwerk als Kunst. Vermutlich weil mir der Einblick fehlte, wo der wirkliche künstlerische Teil dazu kommt.
Hier, in Berlin, lerne ich nun immer wieder Musiker kennen. Sei es nun der Sounddesigner meiner Firma, ein Freund der DJ ist, ein anderer der begeistert im Hobbybereich trommelt. Ich habe erlebt das Musik mehr ist als nur vom Notenblatt ab zu lesen und ein 'Falsch' zu hören wenn man sich mal um eine Note verspielt hat. Es ist etwas Lebendiges, etwas das aus sich selbst heraus entsteht  und ich sehe ganz eindeutig die übersprudelnde Leidenschaft bei manchen Musizierenden und daraus entstehende Kreativität, auch wenn ich sie nicht verbal erklären kann.

Über ein 'komm doch mal dahin...' kam ich dann im Sommer zum Konzert in der Biesdorfer Parkbühne. Hatte ich aus irgendeinem subjektiven Grund damit gerechnet ein Konzert vor zu finden das mit Sackpfeifen und Mittelaltermarktmusik aufwartet war ich beim ansehen der Website ausgesprochen überrascht. Statt Lederlendenschürzen und großen Pauken bekam ich Bilder von Zylindern, Klarinetten und Streichinstrumenten. Die ersten Lieder die ich hörte waren 'Schöne Augen', 'Risiko' und 'Habgier'.

War bisher meine Angabe wenn ich nach Musikinterpreten die ich mag gefragt wurde 'Subway to Sally' oder wo ich mir sicher sein konnte, der Gegenüber kennt diese nicht einmal dann 'Rammstein' fehlte mir da immer noch irgendetwas. Die Lieder dieser Gruppen mochte ich, doch Rammstein war mir irgendwie von der Thematik her immer zu modern. Denke ich an sie denke ich an Metall, Asphalt, Feuer...
Bei Subway gefielen mir die häufig sehr bildlichen Texte und das auch hier Streicher eingesetzt wurden. Aber, so gut der Sänger seine Arbeit mit der stimmlichen Bildmalerei auch macht, irgendwie fehlte mir da etwas ruhiges in der Stimmfarbe. (Das ist sicher für jeden der eher in der Welt der Musik zuhause ist ganz komisch beschrieben, doch ich bin nun einmal ein visueller Mensch und denke in Bildern, Farben und Formen und für anderes fehlen mir leider die Worte.)

Da meine Kollegen immer sehr amüsiert darauf reagieren wenn ich mich in der Mittagspause style, der Tag selbst sehr voll war und ich es liebe Mottos mit zu bedienen wenn irgendwohin gehe warf ich mich also in Schale und besuchte mein erstes Konzert von Coppelius.
Ich wurde geradzu umgehauen von dem kompletten runden Konzept. Die Bühne war gestaltet, wie ich noch nie zuvor eine gesehen hatte. Details, wie die japanische Flagge am Schlagzeug, ein Staubwedel als Mikrofon, alte Stühle... ich kann es gar nicht alles aufzählen. Immer war etwas los auf der Bühne, selbst die Personen im Hintergrund standen nicht einfach gelangweilt herum und dudelten nur ihre Musik. Gleichzeitig war es keine Choreographie, die zwar gut ausgestaltet, aber dennoch einstudiert wirkt, wie ich es zum Beispiel bei Pink erlebte.
Die Herren - und diese Bezeichnung kommt mir mittlerweile natürlich über die Lippen (bzw. Finger), denn sie passt einfach - beherrschten ihre Instrumente wie selbstverständlich. Fast schon so natürlich wie Atmen. Die wechselnden Sänger ließen jedes Lied anders wirken und dennoch war es ein gemeinsames Ganzes.
Ich habe mich sehr gefreut als sie Habgier spielten, das nach kurzer Zeit in die Riege meiner Lieblingslieder aufgestiegen war. 'Ade mein Lieb' war für mich neu, genau wie das sich auf einem Konzert plötzlich alles setzte.
Dieses Phänomän habe ich später auf dem Konzert in Hamburg, Anfang dieses Jahres wieder erlebt. Plötzlich kommt alles zur Ruhe. Vorher tanzte man vielleicht noch, versuchte über die Schulter des Vordermannes zu spähen, aber dann, der Abschluss, man setzt sich, atmet durch und genießt die schöne Stimme und die sanften Klänge.
Sogar mein Mann, der um ein Versprechen ein zu lösen, in den 14 Jahren seit wir uns kennen nun auf sein 2. Konzert ging, drückte der Gruppe gegenüber seinen Respekt und seine Anerkennung aus.

Meine Ansicht, was man mit einer Klarinette machen kann, wurde grundlegend umgekrempelt. Kannte ich sie bisher nur als Katze aus Peter und der Wolf und verband sie geistig mit dem gequälten rumsitzen in einem viel zu warmen Musikklassenzimmer, zum Stillhalten gezwungen wo man doch viel besser zeichnen oder tanzen könnte, wurde mir nun offenbart wie vielfältig dieses... nenne ich es in Ermangelung eines anderen Wortes und mit der höchsten Hochachtung... Werkzeug ist.

Es folgte das neue Album Extrablatt. Ich liebe dessen Aufmachung. Die Papiertextur, das gezeichnete Logo, herrlich. Von Coppelius habe ich mittlerweile so viele CDs gekauft wie von noch keiner anderen Gruppe jemals zuvor.

Jetzt Dienstag gewannen sie noch ihren Teil des Vorentscheides für den Band Battle mit einem fulminanten Auftritt.
Nächsten Dienstag ist nun das Finale im Hard Rock Café in Berlin. Ich werde wieder mit dabei sein und völlig egal ob sie diesen gewinnen oder nicht, ich bin mir sicher es wird ein großartiges Stück Musik mit einer beeindruckenden Showleistung. Ich freue mich schon darauf und kann jedem, der die Kapelle noch nicht kennt, nur den Mut zu sprechen sie sich einmal an zu hören. (Am besten Live.) Denn wie sagte die Dame von der Jury: "Ich dachte als ich von Coppelius hörte das wäre nicht so meins, aber ich konnte eben einfach nicht mehr still sitzen bleiben. Ich dachte ich finds nicht gut, aber ich finds Hammergut."

Und zum Abschluss, noch eine Coppelianische Filmographie (zum Wettbewerb zum Lied Reichtum, an dem ich auch teilgenommen habe, leider aber nicht rechzeitig fertig wurde.):